Die Herstellung von Pastellstiften nach einem Rezept von W. Ostwald
Die folgenden Dinge werden benötigt:
Traganth (Tragantgummi) ist ein Gemisch aus Polysacchariden und Estern. Es ist gummiartig und wird als Füllstoff oder Verdickungsmittel Salatsaucen, Backwarenfüllungen und Speiseeis zugesetzt.
Ansetzen der Bindemittellösungen:
Erste Probe: weiße Kreide
50 g Kreide werden in der Reibschale gerieben und mit 15 ml (ein EL) der Lösung C des Bindemittels zu einem festen Teig angerührt. Bei zu dünnem Teig gibt von dem Kreidepulver hinzu, bei zu dickem Teig etwas Wasser oder Bindemittel.
Den Teig kann man mit Händen in Stangen formen und auf Zeitungspapier zum Trocknen legen.
Zweite Kreide: Ultramarin
50g Ultramarin werden mit dem Bindemittel B vermischt, geformt und getrocknet.
Dritte Kreide: helles Ultramarin
Weiße Kreide werden mit der Lösung C und Ultramarin mit der Lösung B zu einer Masse verbunden, gut durchgemischt, geformt und getrocknet.
Etc.
Durch Übung und Probieren erhält man mit der Zeit ein Gefühl für Festigkeit und Beschaffenheit der Kreiden und man kann sich das Rezept für seine Bedürfnisse anpassen.
W. Ostwald schreibt über die Herstellung der Stifte und ihre Abstufungen:
„[...] der Künstler, dem es auf die Dauer seiner Produkte ankommt, wird daher gut tun, sieh seine Pastellstifte selbst zu machen, und zwar aus den rohen Farben, wie sie jeder Tüncher braucht. Dies ist eine leichte und vergnügliche Arbeit; ich habe sie anfangs nur getan, um die blaugrauen und grüngrauen Mischtone zu haben, die ich für meine Landschaften brauchte; später aber habe ich mir meinen ganzen Bedarf selbst gemacht. Das Verfahren ist sehr einfach.
Man braucht zunächst eine Reibschale von 12 bis 15 cm Durchmesser und einen Vorrat von gewöhnlicher weißer Schlemmkreide. Dann werden 10 g Tragantgummi mit einem halben Liter Wasser in die Wärme gestellt; über Nacht ist das Ganze zu einer gallertartigen Masse geworden, die als Bindemittel dient. Wir nennen diese Lösung A. Für die an Kreide reichen Stifte, d. h. die meisten, die man macht, ist dies Bindemittel A meist zu stark; man verdünnt je einen Teil davon mit einem und mit drei Teilen Wasser, die erste dieser Verdünnungen heiße B, die andere (mit 3 Teilen Wasser) C. Die unverdünnte Masse A ist für Metallfarben (Chromgelb, roten und grünen Zinnober und dergleichen) gerade recht. Ockerfarben brauchen die Losung C Oder noch eine verdünntere; Frankfurter Schwarz desgleichen. Da aber die unter gleichem Namen verkauften Farben oft recht verschieden sind , so wird man einige Vorversuche mit den verschiedenen Losungen machen müssen, ehe man sein Material von erwünschter Harte oder Weichheit erhält.
Um die Sache kennen zu lernen, macht man sich zuerst einige weiße Stifte. Man bringt etwa 50 g Kreide (roh mit der Briefwaage gewogen) in die Reibschale, gießt von der verdünnten Tragantlösung C etwa 13—15 ccm dazu und verarbeitet beides mit dem Pistill zu einem Teig von der Weichheit des Glaserkitts. 1st die Masse zu dünn, so dass sie fließt, so setzt man Kreide zu, im anderen Falle Wasser; nach einigen Minuten hat man eine gleichförmig Masse, die man hernach nur zu formen braucht. Dies kann durch Ausrollen mit der Hand auf einer Unterlage von Zeitungs- oder Löschpapier geschehen. Schönere Stangen aber erhält man, wenn man den Teig aus einer Art Spritze mit etwa bleistiftweiter Öffnung presst. Ich habe mir meine Spritze aus einer dienstfreien Radfahrluftpumpe gemacht und damit Tausende von Stiften gepresst. Die erhaltenen Würste lasst man trocknen, und zwar ist es gut, wenn dies unter massiger Erwärmung geschieht, und zerbricht sie dann in fingerlange Stücke.
Jetzt wollen wir uns eine Reihe abgestufter Farbstifte, z. B. Ultramarin, machen. Hierzu wird zunächst in der beschriebenen Weise eine größere Menge des weißen Kreideteiges auf Vorrat gemacht. Dann nehmen wir 50 g Ultramarin und machen unter Zusatz des mittleren Bindemittels B die Masse für die dunkelsten Stifte. Sind diese geformt, so stellen wir die gleiche Menge der Masse nochmals her, nehmen sie aus der Reibschale und teilen sie nach dem Augenmaß in zwei gleiche Teile. Die eine Hälfte kommt in die Reibschale zurück; hierzu fügt man eine gleiche Menge der weißen Masse und verarbeitet nun beide so lange, bis alle Streifen und Flecken verschwunden sind, was auch nur wenige Minuten beansprucht. Die Masse wird in Stifte geformt und bildet den zweiten, helleren Ton.
Von dem Rest der reinen Ultramarinmasse nimmt man wieder die Hälfte und fügt so viel weiße Masse dazu, dass wieder die gleiche Gesamtmenge entsteht, d. h. Ultramarin bildet ein Viertel, die Kreide drei Viertel der Menge. Dies gibt nach dem Vermischen den dritten Ton. So fahrt man fort, indem man immer die Hälfte des noch übrigen Ultramarins nimmt und sie mit Weiß, auf 50 g ergänzt. Zwischen dem siebenten und zehnten Ton wird man die Färbung der Masse so gering finden, dass eine weitere Verdünnung den Farbstoff nicht mehr erkennen lasst; dann ist die Arbeit beendet.
Man kann natürlich auch die Farbe und die Kreide in den angegebenen Verhältnissen trocken abwägen und dann das Bindemittel zusetzen. Dann muss man aber dieses gleichfalls nach dem Verhältnis zwischen Kreide und Farbe mischen, also für die erste Abstufung Ultramarin 1/2 B und 1/2 C, für die zweite 1/4 B und 3/4 C; die übrigen Mischungen, die vorwiegend aus Kreide bestehen, kann man dann mit C allein ansetzen, da der kleine Fehler nicht viel ausmacht. Doch habe ich das erste Verfahren zweckmäßiger gefunden. Es ist wesentlich, dass man die Mengen des Farbstoffes wie angegeben abstuft, dass für jede folgende Mischung immer derselbe Bruchteil von dem in der vorigen enthaltenen Farbmenge genommen wird. Es ist dies ein Ausdruck des allgemeinen Gesetzes, dass unser Auge wie die anderen Sinnesapparate nicht gleiche Differenzen, sondern gleiche Verhältnisse als übereinstimmende Abstufungen empfindet. Auch wird man finden, dass in den so erhaltenen Reihen wirklich die Stufen der Helligkeit oder Sättigung gleich weit voneinander entfernt erscheinen.
In gleicher Weise verfahrt man mit allen Farben, die man anwenden will. So erhält man in kurzer Zeit eine große Reihe von Farbstiften. Auch wird man bei der Leichtigkeit der Herstellung es bald bequem finden, 28 Mischungen allerlei Mischungen, vor allen Dingen solche von Ultramarin mit Schwarz, in gleicher Weise wie die reinen Farbstoffe zu behandeln. Hier gibt das persönliche Bedürfnis des Künstlers sehr bald die Richtung an, in welcher neue Versuche zu machen sind. Man merke sich die Kegel, dass die Farbe auf dem fertigen Bilde so aussieht, wie das trockene Gemisch der Farbpulver. Beim Befeuchten mit dem Bindemittel tritt eine Verdunkelung der Farbe ein, die beim Trocknen wieder verschwindet und daher nicht in Betracht kommt.[...]“
Quelle: Seite 24-29, Malerbriefe, Beiträge zur Theorie und Praxis der Malerei von W. Ostwald, Leipzig, Verlag von S. Hirzel, 1904
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